Warum wir nicht aufhören können, über Sexismus zu reden

Ein Brief an uns Männer

 

Moin Jungs,

der Urlaub war wirklich großartig. Wie ihr bereits im Urlaub gemerkt habt, hatte ich allerdings was eine Sache angeht wirkliche Bauchschmerzen. Die Art und Weise wie Ihr über Frauen redet. Ich habe es im Urlaub direkt angesprochen, konnte es aber nicht so klar artikulieren, dass ich oder ihr von meiner Argumentation überzeugt gewesen wärt.

 

Ihr würdet eure Sprüche nicht als Sexismus bezeichnen, wahrscheinlich geht das den meisten Männern so… Alles nur „Locker Room Talk“. Sprüche tun nicht weh sagt ihr. Sind ja nur Scherze.

 

Für mich sind die Sprüche mittlerweile klarer Sexismus. Früher ist es mir nicht aufgefallen. Ich hätte genau wie ihr gesagt, dass es nur Sprüche sind. Mittlerweile bin ich fest davon überzeugt, dass diese Sprüche, dieses Verhalten unter Männern, die Wurzel für den Sexismus in unserer Gesellschaft ist.

 

Der Grund, warum ich in den letzten 2 Jahren immer stärker sensibilisiert bin für das Thema, ist, dass bei mir im Unternehmen 70% Frauen arbeiten und der Umgang mit Sexismus insbesondere im Vertrieb mittlerweile leider zum Alltag gehört.  Marktleiter im Einzelhandel nutzen ihre Machtposition aus, und weibliche Vertriebler haben täglich damit zu kämpfen.  Deswegen ist es mir unglaublich wichtig, dass wir als Männer die Sexismus Debatte aufnehmen. Wenn es mir nicht so krass begegnen würde, hätte ich wahrscheinlich meine eigenen Kommentare auch als unnötig abgetan. Ist doch nichts dabei, mal einen Spruch zu bringen….

 

Ist es aber leider doch.

 

Unsere Worte in einer Situation beeinflussen unsere Einstellung und unseren Charakter in einer anderen. Wenn ihr im Urlaub als Single auf einmal ein köperteil fokussierter Macho seid, glaubt ihr, dass ihr wenn ihr im Job unterwegs seid, eure Gedankenmuster von einem auf den anderen Tag ändern könnt ?

 

Die alte Maxime: Achte auf deine Gedanken, denn Sie werden deine Worte. Achte auf deine Worte, denn Sie werden deine Taten, Achte auf deine Taten, denn Sie werden dein Charakter“  fasst meine Einsicht da perfekt zusammen.

 

Ich möchte Freunde haben, die weltoffen, intelligent, tolerant und voller Empathie sind. Die Menschen respektieren, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft oder Hautfarbe. Eigentlich seid ihr so. Nur wenn es um Sex und Frauen geht auf einmal nicht.

 

Ich bin dessen auch selber schuldig und die Linien zwischen Flirten, lustige Sprüche und Sexismus ist da extrem dünn. Ich möchte auch in einer Gesellschaft leben, die Spaß hat und sich selber nicht immer zu ernst nimmt. Aber den Unterschied zwischen einem Kompliment und einem abfälligen Spruch kriegt ihr doch auf jeden Fall auf die Kette oder ?

 

Die Summe unserer Einstellungen und Handlungen unsere Gesellschaft aus. Und wenn wir als Männer unter uns, unsere Taten und Worte nicht ändern, werden wir auch die Gesellschaft nicht ändern.

 

Möchtet ihr wirklich, dass eure Schwestern, Töchter, Nichten, Cousinen von anderen Männern auf ihr Äußeres reduziert werden ?

 

Das ist das Menschenbild, welches durch eure Sprüche deutlich wird.

Das ist das Menschenbild, was ich nicht länger einfach ignorieren kann.

Weil ich weiß, dass ihr besser seid, bitte ich euch das zu überdenken.

 

Im März 2017 war ich mit 2 anderen Freunden von mir in Boston. Dort trafen wir einen deutschen Unternehmer, der in den USA sehr erfolgreich ein Unternehmen aufgebaut hat Abends zum Essen. Wir sprachen über Fuck-Ups, Mitarbeiterführung.. Gründerthemen. Ich erzählte, dass es für mich schwierig ist Empathie mit Leistungsforderungen übereinzubringen. Eine Mitarbeiterin würde grade keine gute Leistung bringen, nachdem Sie sich von ihrem Freund nach einer mehrjährigen Beziehung getrennt hätte. Selber zum ersten Mal nach 5 Jahren wieder Single, könnte ich das nur zu gut nachvollziehen.  Der Unternehmer aus Boston antwortete, dass man da vorsichtig sein sollte, weil „Frauen das ja oft als Ausrede nutzen würden“.

 

Bevor ich überhaupt realisiert habe, was er gesagt hat, hat ein Freund von mir ihn direkt darauf angesprochen: „What did you just say ?“. Der Unternehmer ruderte zurück… Mein Freund presste ihn weiter: „How many women work in your company ? Do you know how sexist that comment was ?“. Der Unternehmer entschuldigte sich mehrfach und beteuerte, dass er sehr tolerant sei und sich sehr für Frauen einsetzen würde.

 

Der Punkt ist, dass er sich selber wirklich glaubt.  Der Punkt ist, dass wir uns unseren Worten und unseren Taten oft nicht bewusst sind. Wenn ein Entrepreneur mit dem Selbstbild des liberalen, toleranten, weltoffenen Menschen, so eine Einstellung zeigt, dann zeigt sich die Wirkung unserer Worte auf unseren Charakter und unsere Einstellung und schliesslich auf unsere Gesellschaft.

 

Für viel zu viele Frauen ist Sexismus Alltag. Für Männer sind es meistens Geschichten, die Ihnen erzählt werden. So wie ich jetzt auch Geschichten erzählt habe. Und ich habe die letzten Jahre beobachtet, wie insbesondere gut gebildete Männer, Sexismus nicht verstehen. Ich muss zugeben, dass ich es viele Jahre nicht tat. Noch im Studium war ich fest davon überzeugt, dass meine Komilltoninnen, die oft klüger, engagierter und rundum smarter waren als meine Kommilltonen sich auf jeden Fall durchsetzen werden. Frauenquote tat ich als unnötig ab. Sexismus als alten Hut, der uns jetzt nicht mehr betrifft.

 

Zum Glück gibt es jetzt die Debatte wieder. Wir entscheiden, in was für einer Welt wir leben wollen. Wir entscheiden, in was für eine Welt unsere Kinder groß werden. Das fängt mit Sprüchen an, wenn wir unter uns sind, geht damit weiter, wie wir in unseren Firmen, Vereinen und Freunden auf Sexismus reagieren.

 

Für die von euch, die sich jetzt nicht sicher sind, was der Unterschied zwischen Sexismus und einem echtem Kompliment ist (weil es euch sicher unter den Nägeln brennt, Frauen echte, ernstgemeinte Komplimente zu machen), hier ein einfacher Test: Wenn ihr es gut fändet, wenn das was ihr vorhabt jmd. zu eurer Tochter sagt, dann ist es wohl ok.

 

Viele Grüße,

Felix


Teile Deine Meinung

Bitte beachte, dass Kommentare vor der Veröffentlichung freigegeben werden müssen